Konzept Schwammstadt: Wie Städte in Zukunft Starkregen und Hitze trotzen
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Städte sind im Sommer wahre Hitzeinseln. Nicht erst seit dem Klimawandel gibt es mehr und mehr Starkregenereignisse, die jede Menge Schaden anrichten. Das Konzept der Schwammstadt ist die natürlich-nachhaltige Lösung. Mit dabei: Gründächer auf Gebäuden oder Toefgaragen. Foto: Pixabay.com/semeno-domains
Starkregen, Hitze, Trockenheit. Insbesondere in Städten merken die Bewohner den Klimawandel. Alles ist zugebaut und versigelt. Dadurch heizen sie sich im Sommer bis zur Unerträglichkeit auf und bei immer häufigeren Starkregenereignissen drohen Überschwemmungen. Mit dem Konzept der Schwammstadt wird vieles besser. Auch die urbane Hitze.
In ländlichen Gebieten ist es meist einfach, geht Starkregen nieder. Das Erdreich und die Vegetation nehmen in der Regel das Wasser auf. Anschließend wird ein Teil des Wassers verdunsten und der Großteil gelangt tief ins Erdreich. Nebeneffekt gerade bei sommerlichen Temperaturen: Die Umgebungsluft wird gekühlt. Wobei hier auch auf dem Land bereits etwas umgedacht wird.
In Städten wird dieses Prinzip unterbrochen. Wasser kann versiegelte Flächen nicht durchdringen, also muss es die Kanalisation aufnehmen, die durchaus an ihre Grenzen kommen kann. In Hamburg etwa gab es den Angaben nach zwischen November 2020 und Oktober 2021 insgesamt elf solcher Starkregenereignisse, die in einigen Stadtteilen große Schäden anrichteten. Um Starkregenereignisse handelt es sich, wenn in sechs Stunden mehr als 22 Liter auf den Quadratmeter oder in einer Stunde 14 Liter Regen fallen. Dies ist selbst in Monaten oder Jahren mit unterdurchschnittlichem Niederschlag ein Problem. So war es im Sommer 2017 sogar deutschlandweit so, mit verheerenden urbanen Sturzfluten. Auch im Jahr 2018 gab es im Sommer überall im Land solche Ereignisse. Ein Video aus der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Grünstadt mit schwimmendem Obst, Gemüse und Transportboxen mitten in der Fußgängerzone ging damals in den sozialen Medien viral.
Da das abgeleitete Wasser nicht mehr verdunstet, kommt es in Städten zum sogenannten „Urban Heat Island Effect“. Der urbane Raum heizt sich durch die vielen versiegelten Flächen, die Beton-, Glas- und Stahlfassaden sehr stark auf.
Das Konzept der Schwammstadt will dieses Problem ändern. Der Begriff wurde von einem Berliner Landschaftsarchitektenbüro als Wortmarke registriert. Das Konzept selbst stammt aus Schweden.
Zurück zur grünen Stadt
Städtebaulich will man hier so vorgehen, dass der Regen dort aufgenommen wird, wo er herabfällt. So sollen Dachbegrünungen gefördert und Fassaden begrünt werden und es soll wieder mehr bepflanzte Freiflächen geben. Denn, da ist sich die Forschung einig, ohne Stadtbäume kann das Klima in der Stadt nicht verbessert werden.
Das Problem: Werden Bäume beispielsweise als Begleitgrün an Straßen auf kleinen Baumscheiben gepflanzt, dann haben sie alles andere als optimale Wachstumsbedingungen wie man heute weiß. Viele Bäume sterben hier nach 20 bis 30 Jahren heutzutage ab. Ein österreichisches Forschungsprojekt arbeitet seit ein paar Jahren an dem passenden Substrat für Stadtbäume, ein Konzept, dass im Jahr 2021 prämiert wurde und beispielsweise in Graz erfolgreich umgesetzt wird.
Alleine dies könnte das Stadtklima merklich abkühlen bei gleichzeitig weniger Schadensereignissen, da die bepflanzten Flächen jede Menge Wasser aufnehmen können. Doch das Schwammkonzept leistet noch weitaus mehr.
Mehr Regenrückhalt ist nötig
Die Kapazitäten der städtischen Kanalisation kommen bei starkem Regen schnell an ihre Grenzen. Zudem sorgt ablaufendes Oberflächenwasser dafür, dass Flüsse anschwellen können und ebenfalls zu Schäden in flussnahen Gemeinden und Städten führen.
- Auch im ländlichen Raum können solche Starkregenfälle zu Überschwemmungen führen. Schließlich kennt jeder die dramatische Unwetterkatastrophe Südosten Deutschlands wie im Ahrtal im Sommer 2021. Auch hier war eine Art Kanaleffekt durch die Tallage der betroffenen Gemeinden eine der Ursachen für die schlimme Flut. Heute müssen daher bei vielen Neubaugebieten Schutzmaßnahmen wie unterirdische Regenrückhaltebecken installiert werden, um selbst im ländlichen Raum Anwohner vor Schäden zu schützen.
Hier soll in Zukunft mehr mit oberirdischen Speichern wie Mulden oder Teiche, die Wasser sammeln können gearbeitet werden. Aber auch unterirdische Speicher sind hier angedacht. Wasser aus beiden Speicherformen kann bei Bedarf abgeleitet oder gar genutzt werden, beispielsweise, um die Stadtbäume zu bewässern.
Wieder mehr urbane Begrünung mit Bäumen und Gründächern

Ohne Bäume in der Stadt geht es nicht, will man die Hitze minimieren. Im nachhaltigen Konzept der Schwammstadt spielen sie eine große Rolle. Forscher haben jetzt die Lösung für ihr Überleben gefunden. Foto: Pixabay.com/Tana66
Hamburg etwa soll zur Schwammstadt aufgrund genannter Problematik werden. Erst im Dezember 2021 stellte der örtliche Wasserversorger Hamburg Wasser ein diesbezügliches Projekt vor. Hier wurde im Stadtteil Neugraben-Fischbek ein spezielles Gründach mit darunter befindlichem Wasserspeicher errichtet. Gründächer sind eine der effektivsten Methoden, um Regenwasser zu sammeln.
Er sammelt versickerndes Regenwasser, welches so nicht auf einmal in die Kanalisation fließt und diese be- oder überlastet. Man spricht hier von einem dezentralen Retentionsspeicher, der intelligent über ein Ventil und eine Wetterapp gesteuert wird. Ist der Speicher gut gefüllt und es ist starker Regen angekündigt, dann kann die Steuerung automatisch vorher dosiert Wasser ablassen, um das Speichervolumen zu erhöhen. Diese dezentrale Lösung ist nur eine von zahlreichen, die folgen sollen. Das entlastet die Kanalisation und macht es möglich, das Regenwasser bei Bedarf auch zu nutzen.
In der Schwammstadt wird entsiegelt und versickert
Noch dringlicher ist es. Versickerungsflächen zu schaffen. Betonierte Plätze, allerlei gepflasterte Wege und geteerte Straßen und die darunter befindlichen, verdichteten Untergründe machen dies unmöglich. Entsiegelung ist hier die Lösung. Dies kann etwa durch wasserdurchlässige Beläge geschehen, beispielsweise geeignete Pflasterbeläge und der Schaffung von mehr Flächen, die Wasser einfacher als heute versickern lassen.
Großbritannien hat das Problem früh erkannt. Nach immer wiederkehrenden, verheerenden Hochwasser in der englischen Metropole London wurde bereits im Jahre 2015 im Stadtparlament diskutiert, wie man gegen die Flächenversiegelungen mit Begrünungsmaßnahmen und Entsiegelungen vorgehen kann. Am Beispiel der Millionenstadt wurde erklärt, dass in nur 10 Jahren die Hälfte der unzähligen Vorgärten verschwanden und für Parkplätze versiegelt wurden. Das verschlimmerte Überschwemmungen, da wertvolle Versickerungsfläche verschwand.
Hausbesitzern, so wurde es in der Diskussion vorgeschlagen, solle angeraten werde, zumindest Oberflächenmaterialien mit Versickerungspotenzial zu verwenden. Heute gibt es hier zahlreiche Materialien, die auch für größere Flächen geeignet sind.
Laut der Königlichen Gartenakademie RHS sind in den letzten Jahren in Großbritannien ein Viertel oder 4,5 Millionen Vorgärten versiegelt worden.
Verdunstung in der Schwammstadt wichtig

Städte leiden besonders unter dem Klimawandel, sommerlicher Hitze und bei Starkregen, da alles zugebaut und versiegelt ist. Foto: Pixabay.com/HeVoLi
Auch bei der Verdunstung leistet das Gründach sehr gute Dienste. Je dicker die Schicht des Gründaches – es gibt dünnere, extensive und dickere, intensive Gründächer -, desto mehr Wasser kann gespeichert und über Verdunstung abgegeben werden. Neben Flachdachgebäuden im öffentlichen Raum bietet es sich bei Tiefgaragendächern an, diese aufzustocken.
Weiterhin möglich ist es, Wasserflächen wie Teiche oder andere offene, vielleicht sogar bepflanzte Wasserflächen – der Fachmann spricht hier von „Constructed Wetlands“ – zu schaffen. Schließlich nehmen heute wieder angesagte Grünfassaden jede Menge Wasser auf und lassen dies verdunsten.
Die Kombination der Maßnahmen verbessert Stadtklima
Starkregenereignisse, Stadtklima, Hitzeinseln – es gibt städtebauliche Maßnahmen, die das Leben der Städter deutlich angenehmer machen und jede Menge Schaden abwenden könnten. Letztlich ist es ein positiver Rückschritt in jene Zeiten, in denen die Städte für ihre Alleen, Parks bekannt waren weniger für große, hitzespeichernde Wolkenkratzer.
Die Schwammstadt ist die ideale Lösung für zahlreiche urbane Probleme in Zeiten des Klimawandels. Man mag sich wünschen, das die genannten Maßnahmen in mehr und mehr Städten umgesetzt würden. In China ist das Konzept in einigen Metropolen bereits erfolgreich „in Arbeit“.